Corporate Realism Thomas Moor
01. März – 18. April 2021
Besuch der Ausstellung auf Anfrage
unter appointment@unanimousconsent.fyi
der Duft der Blume
das Rauschen eines Bachs
das Hämmern des Spechts
ein Pinienwald
Landschaft.
Bestimmt ist es ein Privileg, diese im Sinne einer unzielgerichteten Naturerfahrung zu erleben. Als Stoff, als Material mit physischen und metaphorischen Eigenschaften. Sich gedankenverloren darin zu bewegen, in ihr aufzulösen oder selbst zu spiegeln; sich an ihrer Wortkargheit zu laben.
Landschaft.
Die Bäuerin mag in ihr die Fruchtbarkeit des Bodens erkennen, der Pendler den Weg zum Ziel, die Immobilienmogulin das Potential für Wohnraum, der Geostratege die Lage von Ressourcen.
Zwei Jahre hat Thomas Moor mit dem Malen von Logos und Etiketten von Mineralwassermarken aus aller Welt verbracht. Zwei Jahre lang hat er Landschaft durch die Linse der Wasserwerbeindustrie betrachtet, auf Leinwand gepinselt und so auf humoristische Weise eine ökoterritoriale Perspektive darauf offengelegt.
Würden wir sagen, Moor habe in dieser Zeit Landschaftsmalerei betrieben?Und würden wir sagen, die Darstellung von Landschaft über das Malen unzähliger Logos und Etiketten sei ‹realistisch›?
In einem Essay von 1921 versuchte sich ein Mann namens Roman Jakobson an einer Definition von ‹Realismus› als „eine Kunstströmung mit dem Ziel, die Realität durch Streben nach einem Maximum an Wahrscheinlichkeit möglichst unverfälscht wiederzugeben“. Nicht ‹das Reale› sei Bezugspunkt realistischer Kunst, sondern jene Konstrukte, die das historische, sich wandelnde Wirklichkeitsverständnis lenken.
Basierend auf dieser nach wie vor aktuellen Definition vergegenwärtigt Corporate Realism, wie unser Blick durch die Linse der Werbeindustrie geprägt wird. Mineralwassermarken bedienen sich eines stilisierten Naturbildes, über welches sie ihr Produkt – welches in der Regel aus gänzlich anderen Landschaften als den abgebildeten gewonnen wird – metaphorisch aufladen. Die Aktivitäten solcher Konzerne prägen sowohl subtil unseren Landschaftsbegriff als auch die Landschaften selbst, aus denen sie ihre Ressourcen beziehen.
So viel ‹Realismus› ist an sich kaum zu ertragen. Es fragt sich denn, ob wir uns einen uninformierten und romantisierenden Blick auf Landschaft überhaupt leisten können, sofern wir sie uns – in welchem Sinne auch immer – erhalten wollen.
Moors Tun löst diese Fragen nicht auf. Im Wissen darum, arbeitet er sich Etikett um Etikett daran ab. Zu viele, als dass es sich dabei um das Werk eines Zynischen handeln könnte. Vielmehr findet sich in seinem Schaffen die unermüdliche Bereitschaft, die Welt in ihrer Komplexität immer wieder neu zu erfassen.
– Ilona Stutz
Thomas Moor, *1988 in Aarau, lebt und arbeitet in Zürich